Freitag, 12. April 2013

Nur ein Bier

An einem Tag, an dem ich für den Fortgang der Dinge nichts geleistet hatte, als mich um kommende Tage dieser Art zu sorgen, geriet ich an der Kasse meines Supermarkts zwischen polnische Bauarbeiter. Als Dritter von Vieren fiel ich durch den Umstand auf, dass ich kein Bier kaufte, sondern Artikel, die mich zwei weitere dieser sorgenvollen Tage am Leben halten. Vor mir: Ein Pole, dessen robuste Leibesform so unsinnige Sorgen strikt verbietet, selbst wenn sie dem knolligen Kopf doch einmal entspringen sollten. Zum Bier kaufte er Chips. Vor ihm wiederum ein schlanker, sehr feingliederiger Pole, mit dickem schwarzem Haar, hinten gehalten von einer ebenfalls schwarzen, inzwischen zu warmen Mütze. Spritzer getrockneter Farbe bedeckten alles an ihm. Darin glich er seinen Gefährten, verriet aber in allen anderen Belangen seine Fehlbesetzung. Das schnellen Schweifmuster seiner Augen, die fein geschnittene Schnurrbart-Frisur, die Könnerschaft, zu warten, ohne die grobe Ungeduld der meisten Wartenden dieser Welt. Er kaufte nur ein Bier. Von der billigsten Marke. Nur eine Flasche. Alle anderen aber ließen drei Pullen, ebenfalls zum Tiefstpreis, das Band entlang laufen. Der in meinem Rücken fiel mir nur dadurch auf, dass er als einziger zum Feierabendbier auch rauchen wollte. Er nahm Zigaretten – nicht die billigsten.


Alle rochen nach Rauch, nach frischer Farbe, nach einer Arbeit, die den Geruch der Sauberkeit weggewaschen hatte. Sie trugen den Geruch, den die alten Häuser verströmen, die sie uns den ganzen Tag erneuern, von Kohle und morschem Holz und Schutt. Ihre Finger waren geschwollen, die Nägel an den spitzen schwieliger Würste lang und brüchig. Mit diesen Händen, dachte ich, würde mir an einem Abend, an dem ich für den Fortgang der Dinge nichts geleistet hatte, als mich um kommende Tage dieser Art zu sorgen – an einem solch ihrigen Abend also – würde mir ein einziges Bier genügen. Und ich erschiene vor meinem Gewissen nütze.

Als ich an der Reihe war, setzte die Kassiererin ihr schiefes Lächeln kurz ab, um beim Polen nach mir damit so fortzufahren, als habe ihr nur bei meinem Anblick kurz die Nachsicht gefehlt.
Das Verpacken meiner Lebensmitteln verschaffte dem Bautrupp die Zeit, aus meinem Blickfeld zu verschwinden. Ich traf die drei draußen aber wieder – drei Mann in Maleranzügen, einer mit zu viel Anmut – an den ornamentierten Mauern, die alle alten DDR-Kaufhallen gefangen halten. Ich sah sie gemeinsam die Chips des Ersten essen und die Zigaretten des Dritten rauchen. Das einzige, was sie nicht teilen mochten, war das Bier. Das Bier war die persönliche Habe. Es stand auf der Mauer in sichtbarer Trennung. Zweimal drei Bier, einmal eins. Ihr Feierabend.  

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