Mittwoch, 13. August 2014

Zu Hause am Zoo



Berlin, Zoologischer Garten, Zentrum der Besitzenden, Hafen der Darbenden. Pumpstation zu den Venen des Westens. Schwelle zwischen den Welten. Im Herzkreislaufsystem Charlottenburgs ist dies die Pumpe: Jaulen in der hinteren Halle die S-Bahnen herein, stampfen Doppelstockzüge in der vorderen hinaus. Und über die Rolltreppen dringt ein Strom der Rastlosen verschiedenen Zielen entgegen, deren Zubringer dieser Bahnhof ist.

Unten angelangt, schwingen abgewetzte Holztüren vor unseren Nasen, speien uns aus in eine Landschaft der verflossenen Moderne. Wütendes, tiefes Motorengebrüll der Doppeldecker vor dem Zoobogen. Als langer Pfahl mit transparenter Spitze: Das Waldorf Astoria – die Neuheit am Platz. Und davor: Die Gestrandeten, die Unbedachten. Jene Zoo-Menschen, die nicht unterwegs sind, gezogen von keinem Ziel. Hingeschoben, wo der Druck von außen beherrschbar wird. An den Wänden kauernd mit rissiger Kleidung als Kennzeichen einer verfallenen Mitgliedschaft in unserer Gesellschaft, besetzen sie den letzten, ihnen zugebilligten Raum. Hart sind die Steine des Pflasters, steinern sind die Minen vorübergehender Menschen. In den Pfützen des letzten Gewitters spiegeln sich schmutzige Gesichter. Und über den Köpfen, da donnern eiserne Wagen, wummern ihr Gewicht in das Gestein. Über den Zusammengesunkenen zieht ein Förderband in Rot und Ocker, hinterlässt Ankömmlinge, nimmt Abreisende hinfort. Wir nehmen keine Notiz von den Bleibenden. Zurück bleibt der Ort, von dem für andere kein Gleis wegführt. Keine Abfahrt. Keine Auskunft. Zuhause am Zoo.

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