Nun ist der Geruch Berlins in der
Parfumwelt bereits umschrieben worden – man denke nur an die
Popart-Blümchennummer aus dem Hause Joop zum Mauerfall. Schrill,
spaßig und so übermütig wie die erste Nacht nach der Einheit. Aus
Lutens Werk spricht aber ein ganz ausgeschlafener Ernst, uns die
Spreestadt ins limbische System zu treiben.
Ich halte mich nicht lange mit dem
Minimalismus der Noten auf, der nur Rose und Pfeffer zuließ. Und ich
möchte der simplen Zwietracht gar nicht erst mit fachmännischen
Vokabeln beikommen, sondern mich einem Assoziationsspiel hingegeben,
das die Gelungenheit dingfester beweist.
Hinter die roten Blüten sind die
Dornen gesetzt. Riechbar wird die abgestandene Luft aus der
hundertjährigen Umnachtung von U-Bahnschächten – wie sie uns beim
Abstieg zum Bahnsteig durch die Haare bläst. Deutlich wird die
Ausdünstung von Stein, wenn die Hitze in den Straßen steht. Der
Staub von regenlosen Wochen. Der säuerliche Altbau-Muff von Häusern,
die vier Generationen ein Zuhause gaben. Ja, selbst die chlormäßige
Note der klimatisierten Luft, wie sie in unseren Doppeldecker-Bussen
aus Lüftungsgittern quilt, scheint mir erahnbar. Das alles natürlich
mit der Schlussfolgerung, dass es eines gewissen Muts bedarf, um
diesen mit Blumenkonzentrat bekämpften Ruch spazieren zu tragen.
Erst recht in dieser Stadt, wo verhältnismäßig wenige Menschen
kostspieligen Düften gewogen sind. Als atmosphärisch stimmiges
Raumspray, als Andenkduft für Hiergewesene, hat er immerhin
zweckfremden Nutzen. Alle, die ihre Hautchemie ins Spiel bringen
wollen – ich habe da eher Trägerinnen als Träger im Sinne –
genießen meine Achtung.
Und ich möchte mit dem Hinweis
schließen, dass im späten Frühling vor dem Roten Rathaus
tatsächliche Rosenbüsche Blüten treiben. Und wisst ihr was? Das
letzte Mal, als ich an den Blüten roch – fiepsten im Gestrüpp die
Ratten.