Es sind die Tage, an denen uns die Lust auf Wasser aus unseren steinernen Kunstwelt holt. Tage der Ofenglut im Mauerwerk, Augenblicke derAtemnot in S-Bahn-Wagen, Momente der Besinnung auf den natürlichsten Instinkt bei Wetterwarnung wegen Wärme: Wir wollen Ausgleich finden für das Fieber in unseren Straßen. Und so zieht es uns zur Kühlung an die Seen.
Krumme Lanke: Eine schmale, blaue Narbe
im Wald. Nur ein Strich in der Landschaft, zu Hauf umstellt von
knorrigen Wächtern. Eichen schauen geringschätzend ins Gekräusel,
das wippende Enten trägt. Eschen tasten aus dem Schatten der älteren
Stammhalter nach Licht. Buchen recken sich zum Wasser hinab, als
seien sie in ihrer Unentschlossenheit ob Absturz oder nicht erstarrt.
Und wir irren über ihr Wurzelwerk hinweg, suchen einen noch
unbelagerten Flecken, einer Naturnische zwischen Gestrüpp, Stämmen
und den entblößten Leibern derer, die noch schneller waren. Aber
findet sich nach längerer Pirsch ein schattiger Ort – so
verschlingt uns die Natur. Wir wachsen ein in das Stückchen Berliner
Wildnis, lassen uns umfangen von den großen alten Dauergästen, den
lautlosen Zeugen des ewigen Spiels der durcheinandergehenden, kleinen
Wellen. Und wenn wir des holzig-mosigen Dufts dieser eigentlichen
Welt gewahr werden, da zeigt die Natur auch Interesse an uns
Städtern, schickt Enten mit ernsten, schwarzen Augen, uns zu
beschauen. Sie billigen unsere Anwesenheit, entrichten uns einen
näselnden Gruß. Aber indem sie ihr Bürzel schütteln, bedenken sie
uns auch mit feinen Spott. Dass es erst der Hitze braucht, um ihrer
Lebensart Beachtung zu schenken. Dass die Kunstwelt uns erst dann
unerträglich wird, wenn wir ein halbes Jahr Entfremdung in ihr
erduldet haben. So nennen uns Enten wortlos die Wahrheit. Und heute
hat mich also die Krumme Lanke zurechtgebogen. Und als ich mich
abends aus meinem wilden Winkel riss, ging ich mit dem Gefühl, ich
sei ein Stück vertrauter mit dem Dickicht meiner Seele.
