Ich erlaufe Dich, spaziere verdachtgetrieben. Begehe Deine Wege wie gegeben, entführe meine Schritte zu unbekannten Zielen. Ich erzähle mir Dich, Berlin, mit meinen Sohlen auf Deinem Granit.
Denn jeder auf Rädern und Schienen
geschieht Dir zu schnell. Man entkommt dem Ereignistempo,
beschleunigt auf Missachtung, entreißt sich den Augenblicken, die
Berlin bedeuten. Deshalb langsam. Deshalb Tempo Schritt.
Das Wandeln, das Wie-Wohin – eine
Frage des Untergrunds. Worauf ich mich bewege, ist steinerne
Geschichte. So selten pflegt man hier akkurat, modern zu gehen.
Gerade verzahnte Steinplatten mögen müde Schritte fördern. Ich
aber gehe die alten, schweren Wege. Ich riskiere zu stolpern, ich
liebe die Mutwilligkeit der Spalten, die Unwägbarkeit schiefer
Klippen. Auf DDR-Karo kippeln meine Knöchel. Zerfressener Beton, zu
sanften Hügeln gewellte Platten, jäh unterbrochen durch Ausgelegtes
früherer Zeiten. Pflastersteine, grau, rot beige, ziehen sich zu
Haustüren hinauf. Kleingeklinkertes lässt den Erdboden die Ebenheit
bestimmen, und dünne Sohlen geben ein Gefühl für unstete Lagen,
sprechen mit jedem unrunden Stein.
Als bester aller Böden gilt mir aber
schlesischer Granit, zu grau gemaserten Klumpen gehauen. Oben flach,
unten rundlich – der Berliner Schweinebauch. Auf ihn zu treten
heißt, mit Historie zu gehen, fortschreiten auf steinernem Gebiss.
Zu Zahnreihen verlegt, von Kriegen und Wettern geschunden, fördert
der Granit Dich vorwärts, auf dass kein Schritt dem anderen gleicht.
Seine grobschlächtige Masse wird noch zahllose Sohlen tragen, da
ihm unter den Gewalttaten der letzten hundert Jahre so wenig geschah.
Blut, Tod und Dreck sind unabwischbar, obschon Frühlingsblüten und
Schneedecken über das Elend strichen. Auf diesen Paneelen gingen
Armeen, starben Menschen, entleerten sich Hunde. Gehen auf
Schweinebäuchen heißt trotzdem gehen. Gehe auf Schweinebäuchen,
und du ziehst Vergangenes zu Deinen Zielen. Und Dein Ziel, Dein Weg
nimmt Teil – an einer Ewigkeit.

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen