Montag, 4. März 2013

Gehen auf Granit



Ich erlaufe Dich, spaziere verdachtgetrieben. Begehe Deine Wege wie gegeben, entführe meine Schritte zu unbekannten Zielen. Ich erzähle mir Dich, Berlin, mit meinen Sohlen auf Deinem Granit.

Denn jeder auf Rädern und Schienen geschieht Dir zu schnell. Man entkommt dem Ereignistempo, beschleunigt auf Missachtung, entreißt sich den Augenblicken, die Berlin bedeuten. Deshalb langsam. Deshalb Tempo Schritt.

Das Wandeln, das Wie-Wohin – eine Frage des Untergrunds. Worauf ich mich bewege, ist steinerne Geschichte. So selten pflegt man hier akkurat, modern zu gehen. Gerade verzahnte Steinplatten mögen müde Schritte fördern. Ich aber gehe die alten, schweren Wege. Ich riskiere zu stolpern, ich liebe die Mutwilligkeit der Spalten, die Unwägbarkeit schiefer Klippen. Auf DDR-Karo kippeln meine Knöchel. Zerfressener Beton, zu sanften Hügeln gewellte Platten, jäh unterbrochen durch Ausgelegtes früherer Zeiten. Pflastersteine, grau, rot beige, ziehen sich zu Haustüren hinauf. Kleingeklinkertes lässt den Erdboden die Ebenheit bestimmen, und dünne Sohlen geben ein Gefühl für unstete Lagen, sprechen mit jedem unrunden Stein.

Als bester aller Böden gilt mir aber schlesischer Granit, zu grau gemaserten Klumpen gehauen. Oben flach, unten rundlich – der Berliner Schweinebauch. Auf ihn zu treten heißt, mit Historie zu gehen, fortschreiten auf steinernem Gebiss. Zu Zahnreihen verlegt, von Kriegen und Wettern geschunden, fördert der Granit Dich vorwärts, auf dass kein Schritt dem anderen gleicht. Seine grobschlächtige Masse wird noch zahllose Sohlen tragen, da ihm unter den Gewalttaten der letzten hundert Jahre so wenig geschah. Blut, Tod und Dreck sind unabwischbar, obschon Frühlingsblüten und Schneedecken über das Elend strichen. Auf diesen Paneelen gingen Armeen, starben Menschen, entleerten sich Hunde. Gehen auf Schweinebäuchen heißt trotzdem gehen. Gehe auf Schweinebäuchen, und du ziehst Vergangenes zu Deinen Zielen. Und Dein Ziel, Dein Weg nimmt Teil – an einer Ewigkeit.

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