Montag, 25. März 2013

Leere in Weiß



Nichts wächst über Distelhöhe, nichts Gebautes im Oval. Das Tempelhofer Feld ist stadtumschlungene Leere, Luftbrücke ohne Abhub, Kriegsrest, Nachkriegsvermächtnis, das größte Nichts dieser Stadt. Und jetzt schläft auf dem Feld das Weiß, zu knöchelhoher, harscher Dicke geschichtet. Als Beerdigung des Asphalts, der Alliiertenfliegern Boden gab. Nur wenige schmale Wege sind freigeschaufelt. Schneisen auf einem Flugplatz, an dem nun alles irdisch ist – oder höchstens noch aufstrebt, ohne wegzukönnen, so wie die rasenden Drachen mit ihren bunten Leibern an steifen Leinen.

Von vorne schneidet Ostwind, malt Menschen rote Haut, macht Schmerzen mit unsichtbaren Spitzen. Drehe ich mich um, sticht der Sonnenschein von oben und unten. So wolkenvertrieben. So Weiß.

„Wenn wir noch ein Stückchen gehen, erreichen wir die Antarktis“, verspricht ein Vater dem Sohn; seine fernen Worte trägt der Wind an mich heran. „Aber der Rückweg wird weit“, erwidert der Junge, von der Briese an mich stenografiert. Gleichwohl geht er mit dem Vater weiter ins Innere des Nichts. Dorthin, wo die Winde Wakeboarder schneller zu ziehen vermögen, als ein Skifahrer folgen kann. Wo eine Frau mit Fahrrad im Tiefschnee stecken blieb. Auch sie wollte ohne erkennbaren Grund ins Innere des – nachdem sie auf der freigeräumten Gasse gegen den Wind getreten hatte, als führe sie am Berg. Und nun hier, im Zentrum. Die alte Radarkuppel ist verzweifelnd weit.

Die Gasse, von der sie abkam, zieht sich durch den kleinen Kontinent, dient geradlinigeren Menschen in ihren Kutten als Zubringer von einem Teil der Stadt in die andere. Wer hier durch will, will Ostwind, Stiche, will Nichts, will Leere, will nicht schnell ans Ziel – wenigstens für eine halbe Stunde. Dann landet man erneut in Berlin.

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