Der Jazzmann spielt heute Nacht wie
einer, der noch nie gespielt hat, hier auf der Warschauer Brücke.
Dem ewig provisorischen Steg zwischen der Niederung, wo die S-Bahnen
einheulen – sie heulen zehnminütlich spätfreitagnachts – und
dem dem eigentlichen Brückenungeheuer. Der Jazzmann hat den
Misserfolg um seinen Hals gehängt, obschon ihn daran keine Schuld
trifft. Er spielte eben die Melodie von „Pink Panther“, spielte
sie genügend gefühlvoll, trug Sorge für das beschwingende Näseln
seines Saxofons, tappte mit lustvoll zugekniffenen Augen vor und
zurück.
Er wollte dafür die Münzen der
Zielstrebigen – als Straßenmusiker auf einer Brücke. Einige
wenige Geldstücke schimmern jetzt in seinem kleinen Teller, dem
Spendenfänger aus Porzellan. Zu vieles ließ die Vorübergehenden
weghören, wegsehen, nicht fühlen. Das Dönerbrot, in das sich die
Zähne gruben, war wichtiger. Das Telefonat mit einer unpünktlichen
Freundin war wichtiger. Das Auskosten des Suffs war wichtiger. Der
Blick auf den Fernsehturm und das Vibrieren des Brückenstahls durch
den abfahrenden Zug, dies verhieß das Erlebnis. Nicht die Melodie.
Unschuldig sind die Missachtenden. Ihre Sinne litten an Betäubung.
Sie waren im Pulk. Dieser Jazzmann aber hat nur ein Prinzip: Er
spielt nicht für einzelne. Erst als ich der einzige auf der Brücke
bin, für fünf Minuten, erst als er die Schnapsflasche zitternd an
die Lippen führt, zeigt sich, dass er friert.