Donnerstag, 1. Januar 2015

Schere zwischen krass und weich

Die Mittelschicht zwischen Wunderkerzen-Bestaunern und Schreckschusspistolen-Schützen ist bedenklich klein geworden. Silvester in Berlin.

Dienstag, 14. Oktober 2014

Fat B Big Apple



Mich haben bisher 11 Leute gefragt, wie es war. Deshalb nun die Zuspitzung meiner Eindrücke in 11 Thesen:
1. In Berlin sind die Hipster hip. In New York die Normalos.
2. Wenn jemandem in New York etwas an Dir extrem gut gefällt, geht er hin und macht ein Kompliment. In Berlin wirst Du entweder abgewertet oder gemieden.

3. In Berlin machen die Clubs um 23.59 auf, in New York um 22 Uhr zu.
4. Wenn Du in einem hippen Stadtviertel wohnst, bist Du in Berlin von Muslimen umgeben, in New York von orthodoxen Juden.
5. In Berlin bist Du in einer Stunde Fahrzeit am Schlachtensee, in New York liegst Du in der gleichen Zeit am Atlantik.
6. In Berlin kannst Du überall ein neues Wegbier kaufen. In New York an jeder Ecke Proteinshakes.
7. In Berlin sind Migranten ausreichend integriert. In New York leben eingewanderte Parallelgesellschaften seit Jahrzehnten glücklich aneinander vorbei.
8. Die Akzeptanz von Jogginghosen im öffentlichen Raum ist gleichermaßen hoch. Nur die dazu getragenen Sneaker sind in NY noch pornöser.
9. In Berlin fluchst Du darüber, dass Dein Glasfaser-Internetkabel nicht die versprochene Leistung erbringt. In weiten Teilen New Yorks hängen noch oberirdische Stromkabel zwischen morschen Masten.
10. Berlin gibt Dir das Gefühl, jederzeit ein neues Leben beginnen zu können – New York verheißt den Soforteinstieg in ein Leben, an dem schon viele gescheitert sind.
11. Im Madison Square Garden hören sie dem Dalai Lama zu – im Olympiastadion Mario Barth.

Mittwoch, 13. August 2014

Zu Hause am Zoo



Berlin, Zoologischer Garten, Zentrum der Besitzenden, Hafen der Darbenden. Pumpstation zu den Venen des Westens. Schwelle zwischen den Welten. Im Herzkreislaufsystem Charlottenburgs ist dies die Pumpe: Jaulen in der hinteren Halle die S-Bahnen herein, stampfen Doppelstockzüge in der vorderen hinaus. Und über die Rolltreppen dringt ein Strom der Rastlosen verschiedenen Zielen entgegen, deren Zubringer dieser Bahnhof ist.

Unten angelangt, schwingen abgewetzte Holztüren vor unseren Nasen, speien uns aus in eine Landschaft der verflossenen Moderne. Wütendes, tiefes Motorengebrüll der Doppeldecker vor dem Zoobogen. Als langer Pfahl mit transparenter Spitze: Das Waldorf Astoria – die Neuheit am Platz. Und davor: Die Gestrandeten, die Unbedachten. Jene Zoo-Menschen, die nicht unterwegs sind, gezogen von keinem Ziel. Hingeschoben, wo der Druck von außen beherrschbar wird. An den Wänden kauernd mit rissiger Kleidung als Kennzeichen einer verfallenen Mitgliedschaft in unserer Gesellschaft, besetzen sie den letzten, ihnen zugebilligten Raum. Hart sind die Steine des Pflasters, steinern sind die Minen vorübergehender Menschen. In den Pfützen des letzten Gewitters spiegeln sich schmutzige Gesichter. Und über den Köpfen, da donnern eiserne Wagen, wummern ihr Gewicht in das Gestein. Über den Zusammengesunkenen zieht ein Förderband in Rot und Ocker, hinterlässt Ankömmlinge, nimmt Abreisende hinfort. Wir nehmen keine Notiz von den Bleibenden. Zurück bleibt der Ort, von dem für andere kein Gleis wegführt. Keine Abfahrt. Keine Auskunft. Zuhause am Zoo.